Falling in Love


Wir verlieben uns in einen Menschen, in dem wir unser höheres Selbst erkennen

Die gängige Vorstellung, bei der Gewinnung eines Partners handele es sich um einen Auswahlprozess, ist grundfalsch. Falsch darum auch der Begriff: "Partnerwahl". Nicht wir wählen. Wir werden erwählt. Und bezeichnenderweise eben nicht vom Partner, was ja den eben in Abrede gestellten Vorgang lediglich umkehren würde: Die Liebe selbst erwählt uns und hält uns ihrer für würdig. Sie ist es, die uns plötzlich überkommt, wenn wir eines bestimmten Menschen ansichtig werden, in dem wir uns, nein, nicht einfach spiegeln, sondern in dem wir unser höheres Selbst erkennen. Den Menschen, in dem wir nicht sehen, wie und wer wir sind, sondern, wer und wie wir sein könnten, entfaltete sich denn nur dasjenige in uns zu seiner vollen Gestalt, was wir als unser Wertvollstes, als gedankliche und gefühlte Möglichkeit unserer selbst im Herzen tragen.

Sich verlieben ist ein Wiederfinden von Erahntem

Sich verlieben ist darum ein Erkennen, ein Wiederfinden von Verlorenem oder nur Erahntem, an das sich freilich augenblicklich lauter Bangigkeiten knüpfen, Hoffnungen, Sehnsüchte, Befürchtuingen. Insofern ist das antike Bild von Amors Pfeil der einen trifft und verwundet, nur allzu zutreffend. Sich verlieben - das schlägt ein wie ein Blitz ins Herz. Es geschieht, ob wir wollen oder nicht, ist nicht unseren Wünschen oder unserem Verhindern-wollen unterworfen, schert sich nicht um Anstand, Moral, bestehende Bindungen, Verantwortlichkeiten, die Erwartungen oder Befürchtungen der Mitwelt. Was daraus wird, ob der Keim, der einem da von unbekannter Instanz in die Herzgrube gepflanzt wird, aufgeht und fruchtbar wird - das weiß man nicht. Auch nicht, ob wir den Keim selbst ersticken müssen, weil sein Aufgehen Verheerungen anrichten würde, die untragbar sind, Familien zerstören, Menschen ins Unglück stürzen müsste. Ob ein Glückliches oder Schreckliches daraus erwächst, Glückseligkeit oder Leid und Resignation, das ist alles unbekannt in diesem Moment, in dem über uns verfügt wird. Der Blick zweier Augen, eine bestimmte Art zu lachen, ein kluger Satz, der die Welt aus den Angeln hebt (und uns gleich mit) - - - und jäh flammt in uns ein namenloses Gefühl greifbar vor uns liegender Vollkommenheit auf, und wir erkennen es als ein Geschenk, als eine Gnade, wenn uns solches zuteil wird.

Sich Verlieben ist die Ankunft des eigenen Ichs in einem anderen Menschen

Ja wir erleben es als eine solche selbst dann, wenn wir genau wissen, dass dieses Aufflammen heillos ist, unerwidert bleibt oder von tausend Aussichtslosigkeiten zerschmettert werden wird. Nichts vermag dieses Aufflammen zu unterdrücken, in dem wir so wahrhaft wie in keinem anderen Zusammenhang spüren, dass wir leben. Sich Verlieben ist immer ein Stück Ankunft des eigenen Ich in einem anderen Menschen, selbst dann, wenn man von ihm Zurückweisung erfährt. Dieser Sicht auf das Phänomen des sich-Verliebens steht nicht entgegen, dass der Partner, den die Liebe in uns zur Projektionsfläche macht und den wir idealisieren, viele inkompatible Eigenschaften haben mag, er steht dennoch für das Heilige, das in uns selbst wohnt.  Ist dieses Erkennen nicht einseitig, sondern ein wechselseitiges und steht ihm nicht Unverrückbares im Wege, beginnt aus Verliebtheit heraus eine Liebe zu blühen ...
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